Evangelische Kirchenordnungen entstanden im 16. Jahrhundert vor dem Hintergrund des reformatorischen Umbruchs. Es sind Regelungen des kirchlichen Lebens, die auf der Grundlage der evangelischen Lehre Richtlinien für Kultus, Sozialfürsorge, Schule sowie die innere Organisation und das Recht der Kirche geben. Die im Zuge der Glaubensspaltung formulierten Ordnungen sind zentrale Dokumente für die Erforschung der deutschen und europäischen Reformations- und Konfessionalisierungsgeschichte im 16. und frühen 17. Jahrhundert. Die Quellen bilden die Grundlage, auf der sich die kirchlichen Verfassungen in den entstehenden protestantischen Landeskirchen herausbildeten. Daneben sind sie von elementarer Bedeutung für alle Fragen, die mit der Entstehung der deutschen Territorialstaaten in der Frühen Neuzeit zusammenhängen.

Ende des 19. Jahrhunderts begann der Erlanger Jurist Emil Sehling (1860–1928) mit der Sammlung evangelischer Kirchenordnungen; zwischen 1902 und 1913 gab er fünf Bände heraus. Nach dem Zweiten Weltkrieg führte das Institut für evangelisches Kirchenrecht der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) in Göttingen das Projekt unter der Leitung von Rudolf Smend, Otto Weber und Ernst Wolf weiter, von dort aus ging die Herausgeberschaft 1970 an J. F. Gerhard Goeters über. Zwischen 1955 und 1980 konnten acht Bände publiziert werden.

Seit 2002 wird die Edition an der Heidelberger Akademie der Wissenschaften unter der Herausgeberschaft von Gottfried Seebaß († 2008) und Eike Wolgast fortgesetzt. 2017 wurde die auf 24 Bände angelegte Ausgabe komplettiert und das Forschungsvorhaben abgeschlossen.

Die Einrichtung der Edition basiert auf den von Emil Sehling vor mehr als 100 Jahren erarbeiteten und in der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg weiterentwickelten Richtlinien. Nach Wiederaufnahme der Reihe durch die Heidelberger Akademie im Jahre 2002 wurden die Editionsgrundlagen nur wenig modifiziert, um die Kontinuität der Reihe zu gewährleisten: Der buchstabengetreue Quellenabdruck wird begleitet von einem textkritischen Apparat, in dem Varianten und andere die Textgestalt betreffende Besonderheiten nachgewiesen sind, und von einem Sachkommentar, der inhaltliche Erläuterungen gibt. Fünf Register erschließen die Quellen und bieten raschen Zugriff auf Bibelstellen, Personen, Orte, Lieder und Gesänge sowie Sachen. Kompakte Einleitungen zu den Texten informieren knapp über die historischen Zusammenhänge und die Wirkung der einzlenen Stücke im Reformations- und Konfessionalisierungsprozess.

Ziel der Edition ist es, die Quellen als Grundlage für interdisziplinäre Forschungen zur Verfügung zu stellen. Zu den Rezipienten zählen sämtliche historisch ausgerichteten geisteswissenschaftlichen Disziplinen, von der Kirchen- und Rechtsgeschichte bis hin zur Musik- und Kunstgeschichte.