Edition eines bedeutenden Zeugnisses der osteuropäischen Haskala im frühen 19. Jahrhundert

Die jiddischen Bibelübersetzungen des Menachem-Mendel Lefin, genannt Satanower (1746–1826), einer zentralen Figur der jüdischen Aufklärung (Haskala) in Galizien und Podolien, gehören sprachgeschichtlich zu den frühesten unverfälschten Zeugnissen des Modernen Ostjiddisch. Gleichzeitig stellen sie einen der ersten bekannten Versuche dar, eine jiddische Bibelübersetzung modernen Typs zu schaffen. Lefin übersetzte die Bücher Mischle (Sprüche Salomos), Kohelet, Echa (Klagelieder Jeremias), Ijov (Ijob) und Tehillim (Psalmen) ins Jiddische. Zu seinen Lebzeiten wurde nur die Übersetzung der Sprüche Salomos (1814) gedruckt; eine ausschließlich als fotomechanische Reproduktion erhaltene Zierhandschrift von 1819 war vermutlich als Ersatz für eine gedruckte Veröffentlichung gedacht. Von Lefins weiteren Übersetzungen ist nur eine einzige Handschrift (MS 8° 1053, Jewish National and University Library Jerusalem) überliefert, die eine Fassung von Echa (Klagelieder Jeremias) sowie Fragmente der Bücher Ijov (Ijob) und Tehillim (Psalmen) enthält.

Lefins jiddische Übersetzung von Ijov 1,1. © Prof. Dr. Roland Gruschka, Hochschule für Jüdische Studien Heidelberg

Lefins jiddische Übersetzung von Ijov 1,1. © Prof. Dr. Roland Gruschka, Hochschule für Jüdische Studien Heidelberg

Das Korpus der Lefinschen Bibelübersetzungen ist eine bedeutende Quelle nicht allein der Geschichte der jiddischen Sprache und Literatur, sondern auch der Kulturgeschichte der aschkenasischen Juden Osteuropas, insbesondere der Epoche der Haskala, wie auch der Geschichte des jüdischen Bibelübersetzens.

Ungeachtet ihrer Bedeutung gibt es bislang keine wissenschaftliche Edition von Mendel Lefins Bibelübersetzungen (ebenso wenig seiner anderen Schriften). Diesem Mangel soll durch eine wissenschaftliche, kommentierte Edition einer Teilhandschrift aus dem Korpus der erhaltenen Bibelübersetzungen – Lefins jiddischer Übersetzung des Buches Ijov – entgegengewirkt werden. Die kritische Edition wird neben einem diplomatischen Abdruck mit Apparat und Kommentar auch eine modern-standardjiddische Transkription und einen Glossar umfassen und mit kulturgeschichtlichen, literaturwissenschaftlichen und philologischen Einleitungen versehen sein.

Die kritische Edition wird eine zuverlässige Textgrundlage für sprachgeschichtlich- philologische Untersuchungen bieten, ebenso wie für Arbeiten unter inhaltsbezogenen Fragestellungen, etwa auf dem Gebiet der Geschichte der Haskala oder der Geschichte jüdischen Bibelübersetzens und der jüdischen Bibelexegese. Sie wendet sich daher primär, aber keineswegs ausschließlich, an Fachleute auf dem Gebiet der jiddischen Philologie und Sprachgeschichte wie auch an fortgeschrittene Studierende und Doktorandinnen und Doktoranden der Jiddistik, die sich in diese Forschungsgebiete einarbeiten möchten, darüber hinaus auch an Vertreterinnen und Vertreter benachbarter Disziplinen (Judaistik, Germanistik, Slawistik, Semitistik, Linguistik, Bibelwissenschaft, Religionswissenschaft, Geschichte, jüdische Theologien, christliche Theologien), die über entsprechende Lesekenntnisse in der modern-standardjiddischen Literatursprache verfügen.