Der masoretische Text der Hebräischen Bibel in seinen unterschiedlichen materialen Gestaltungen im Westeuropa des 12. und 13. Jahrhunderts

Das Projekt beschäftigt sich mit Fragen des Vorliegens bzw. Nichtvorliegens bestimmter Gestaltungen des Geschriebenen, der Bedeutung und der praktischen kontextuellen Verwendung der Masora sowie anderer geschriebener Metatexte in mittelalterlichen hebräischen Bibeln. Entgegen der bisherigen kunsthistorischen Ansicht lässt sich nachweisen, dass die masora figurata mehr als einen bloß dekorativen Zweck erfüllt. Die Konfigurationen bieten sehr komplexe figurative Formen, die für weiterführende Studien des Text-Bild-Verhältnisses, aber auch für philologisch-historische Forschung sehr ergiebig sind, denn sie enthalten meta-figurative Elemente und Anspielungen auf rabbinische Literatur oder exegetische Kommentarliteratur. So lassen sich hinsichtlich der Funktionen (pl.!) der materiellen Präsenz der Mikrographie ästhetische, philologische, erzieherische, exegetische und mnemotechnische Aspekte ausmachen. Darüber hinaus konnte bereits jetzt schon aufgezeigt werden, dass der masoretische Text deutlichen Einfluss tiberiensischer Quellen zeigt, aber dennoch eine Reihe nicht-konventioneller masoretischer Traditionen aufweist.

Dynamische Darstellung der Editionsarbeit

Dynamische Darstellung der Editionsarbeit

 

In der weiterführenden Planung des Projektes soll eine Erweiterung des Quellenmaterials sowohl hinsichtlich der Artefakte als auch hinsichtlich der im Artefakt konservierten geschriebenen Entitäten vorgenommen werden, um einerseits eine Typologie der materialen Aspekte der hebräischen biblischen Codices zu erstellen und andererseits den praxeologischen Ansatz an den hebräischen Bibelhandschriften weiter auszubauen. Ziel des Projektes ist es, ausgehend von der Masora sowie anderer im Artefakt manifesten Text-Kulturen zu klären, in welchem Maße die Funktion der Bibel von diesen materialen Komponenten und ihren geo-kulturell unterschiedlichen Designs bestimmt ist. Für die Bibelcodices essentiell ist hier die Relationierung zu den liturgisch verwendeten Tora-Rollen, weil viele der Bibel-Handschriften Metatexte zu Schreiber-Vorschriften enthalten, die ursprünglich aus dem Kontext der Tora-Rolle stammen und den Codex darin in den erweiterten Raum des sakralen Raumes und/oder der Repräsentanz der göttlichen Offenbarung stellen. Dabei stehen materiale Aspekte wie Sichtbarkeit, Lesbarkeit und ihre Relationierung zu Rezipientengruppen im Focus. Es geht also um die Frage, wie die vielfältigen Darstellungsformen mit der unterschiedlichen Rezeption in verschiedenen sozialen Räumen (synagogale Praxis, Lehrhaus, Privatgebrauch oder Schnittmengen davon) verbunden sind. Gleichzeitig soll nachgewiesen werden, dass das im Artefakt konservierte Geschriebene (Bibeltext; tagin; Masora; Metatexte; gezeichnete ‘Seitenwächter’) keinen festumrissenen Sinngehalt besitzen sollte, um den Codex als Schriftraum in seinem Bezug zur Sakraltopographie offen gestalten zu können (Schrift als miqdashya).

Das TP B04 erarbeitet derzeit eine digitale Edition der Digitale Edition der Masora Figurata in Handschrift MS Vat. ebr. 14, die hier einsehbar ist: http://bima.corpusmasoreticum.de/#/